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Dieter Hoffmann (Fritz-Haber-Institut der MPG, Berlin): Farm Hall und die Furcht der Alliierten vor der deutschen Atombombe

Physikalisches Kolloquium

„Es waren zehn Forscher in Farm Hall,

Die galten für fürchterlich harmvoll.

Beim Jüngsten Gericht

Erschienen sie nicht, denn sie saßen noch immer in Farn Hall.“

Diesen Limmerick verfasste im Herbst 1945 Carl Friedrich von Weizsäcker - eben auf jenem Landsitz Farm Hall in der englischen Grafschaft Cambridgeshire, wo nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zehn deutsche Atomforscher für sechs Monate als „Guest of his Majesty“ interniert und systematisch abgehört worden waren. Mit dieser Geheimdienstoperation wollte man erfahren, ob die Angst der Alliierten vor einer deutschen Atombombe berechtigt und wie „harmful“ die deutschen Forschungen auf diesem Gebiet wirklich gewesen waren; auch hoffte man, von deutschem Spezialwissen profitieren und für die Entwicklung der eigenen Atombombe noch nutzen zu können. Allerdings wurde sehr schnell deutlich, dass man in Deutschland weit vom Bau einer Atombombe entfernt und selbst bei der Entwicklung einer Uranmaschine bzw. Reaktors gescheitert war. Die Abhörprotokolle sind aber nicht nur ein Dokument dieses Scheiterns, sondern zudem ein beeindruckendes Zeitdokument über das Leben, die Motive und die Moral von Wissenschaftlern im Dritten Reich wie von technokratischen Eliten überhaupt; zugleich geben sie wichtige Aufschlüsse über die bis heute nachwirkende Mythenbildung zur deutschen Atombombe.