Aktuell

Öffentlicher Abendvortrag zu NLCs

Alle Interessierten sind herzlich zu einem Vortragsabend eingeladen, bei dem Hintergründe und der aktuelle Stand der NLC-Saison 2024 vorgestellt werden.

  • Titel: Von nachleuchtenden Wolken und Vulkanausbrüchen
  • Sprecherin: Dr. Sandra Wallis (Institut für Physik, Universität Greifswald)
  • Datum: 27. Juni 2024
  • Uhrzeit: 18:30
  • Ort: Hörsaal des Instituts für Physik (Felix-Hausdorff-Str. 6; Haupteingang Seite Pappelallee)

Leuchtende Nachtwolken im Sommer 2024

Leuchtende Nachtwolken (NLCs, von engl. noctilucent clouds) sind ein faszinierendes Phänomen am Himmel, das nur in den Sommermonaten und in mittleren bis hohen Breiten zu sehen ist. Und dieses Jahr, 2024, könnte ein besonderes Jahr werden. NLCs erscheinen nach Sonnenuntergang und leuchten in einem silbrig-weißen oder bläulichen Licht. Aber zunächst: Was genau sind leuchtende Nachtwolken, und warum sind sie so besonders?

Was sind leuchtende Nachtwolken?

Leuchtende Nachtwolken, auch bekannt als Noctilucent Clouds (NLCs), sind die höchstgelegenen Wolken, die in unserer Erdatmosphäre vorkommen. Sie befinden sich etwa zwischen 80 und 85 Kilometern Höhe und liegen damit in der oberen Mesosphäre (Atmosphärenschicht zwischen etwa 50 und 100 km Höhe). Zum Vergleich: Die Wolken, die wir normalerweise sehen, schweben in unseren Breiten in Höhen von einigen hundert Metern bis maximal 13 Kilometern.

Wie entstehen sie?

Leuchtende Nachtwolken bestehen aus winzigen Eiskristallen mit einem Durchmesser von etwa einem Zehntausendstel eines Millimeters. Sie entstehen, wenn Wasserdampf in der hohen Atmosphäre gefriert. Da die Mesosphäre extrem kalt ist, oft um die -120 Grad Celsius und kälter, erfüllt sie die notwendigen Bedingungen für die Bildung dieser Eiskristalle. Außerdem fördern Kondensationskeime, an denen der Wasserdampf anhaften kann, die Eiskristallbildung. Das können beispielsweise winzige Partikel sein, welche entstehen wenn Meteoroiden oder Weltraumschrott in die Atmosphäre eindringen und verglühen.

Wo und wann kann man sie sehen?

Leuchtende Nachtwolken sind am besten in den Sommermonaten (etwa Mitte Mai bis August) und in hohen Breiten, etwa zwischen 50° und 65° nördlicher und südlicher Breite, zu sehen. Damit kann das Phänomen auch im Norden Deutschlands beobachtet werden. Im Sommer ist die Mesosphäre kälter, was die Bildung der Eiskristalle begünstigt. Die dünnen Eiswolken werden bei klarem Himmel sichtbar, wenn die Sonne nach dem Sonnenuntergang einige Grad unter dem Horizont steht. Der Himmel ist dann schon relativ dunkel, aber die NLCs, welche sich weit oben in der Atmosphäre befinden, werden noch angeleuchtet und streuen das Sonnenlicht. Nach dem Auftauchen am Abend können sie auch die ganze Nacht über sichtbar sein.

Generell entstehen die NLCs in mittleren und hohen Breiten, sind also in unserer Hemisphäre über dem nördlichen Horizont zu sehen. Wichtig: NLCs sind nicht in jeder Nacht sichtbar! Wann und wo NLCs entstehen und wie sie sich ausbreiten hängt von vielen Faktoren ab. Es gibt jedes Jahr welche zu sehen, aber man muss schon etwas Glück haben um sie zu erwischen!

Für die besten Sichtverhältnisse ist ein ungehinderter Blick auf den Horizont hilfreich und ein Ort mit möglichst wenig Lichtverschmutzung (obwohl es auch innerhalb der Stadt möglich sein kann NLCs zu beobachten).

Warum sind sie besonders?

Leuchtende Nachtwolken sind nicht nur ein atemberaubendes Naturphänomen, sondern sie geben auch Aufschluss über die Zustände in den oberen Schichten der Atmosphäre. Die Wissenschaft interessiert sich für NLCs, weil ihre Häufigkeit und Intensität möglicherweise mit klimatischen Veränderungen in Zusammenhang stehen. Außerdem können sie genutzt werden um etwas über Windgeschwindigkeiten und die Ausbreitung von atmosphärischen Wellen zu lernen (achten Sie auf die Wellenstrukturen, die NLCs oft aufweisen!), da sie sich in Höhen befinden in die beispielsweise kein Wetterballon vordringen kann.

Ein historisches Rätsel

Nach aktuellem Stand wurden leuchtende Nachtwolken erstmals im Jahr 1885 beobachtet. Es ist unklar, ob es vorher keine NLCs gegeben hatte oder ob das Phänomen vorher lediglich nicht beschrieben worden war. Warum 1885? Eine Rolle könnte dabei der besonders explosive Ausbruch des tropischen Vulkans Krakatau gespielt haben, welcher zwei Jahre zuvor, am 27. August 1883, geschah. Mit dem Vulkanausbruch könnten große Mengen Wasserdampf bis in hohe Atmosphärenschichten getragen worden sein und letztlich bis in hohe polare Breiten bis in die Mesosphäre gelangt sein. Die erhöhte verfügbare Wasserdampfmenge könnte dann die Bildung der Eiskristalle induziert, beziehungsweise zu einem Wachstum der bestehenden Eiskristalle geführt haben. Mit mehr und größeren Eiskristallen könnten die NLCs damals entweder das erste Mal sichtbar gewesen sein oder intensiver und deutlich sichtbarer geworden sein, was dann möglicherweise erstmals die Aufmerksamkeit der Menschen auf das Phänomen gelenkt haben könnte.

Besonderheit der NLC-Saison 2024

Wie im Jahr 1885 könnte die aktuelle NLC-Saison erneut eine besondere werden. Grund dafür ist der Ausbruch des Vulkans “Hunga Tonga – Hunga Ha’apai” (im Folgenden nur Hunga) am 15. Januar 2022. Der hat einige Ähnlichkeiten mit dem, was man über den damaligen Krakatau-Ausbruch heute weiß und rekonstruieren konnte. Vor allem war der Hunga-Ausbruch ebenfalls außergewöhnlich explosiv. Genauer gesagt hat er sogar die höchste Aschewolke erzeugt (bis etwa 57 km Höhe), die je beobachtet werden konnte seit es Satellitenmessungen gibt. Das liegt daran, dass der Schlot des Vulkans zum größten Teil unter Wasser im Meer lag. Nah genug unter der Wasseroberfläche, dass das Meer die Explosion nicht unterdrückt hat, aber tief genug, dass das austretende Magma mit großen Mengen Wasser in Kontakt kam. Das durch die hohe Temperatur des Magmas verdampfende Wasser vervielfachte sein Volumen schlagartig was zur gewaltigen Explosion führte. Der Knall war noch in 10.000 Kilometer Entfernung hörbar und die erzeugte Druckwelle wanderte mehrmals um die Erde.

Der Ausbruch des Hunga-Vulkans erreichte also, vor allem durch die hohe Explosivität, besonders hohe Atmosphärenschichten. Was ihn aber zusätzlich besonders machte, war die extreme Menge Wasserdampf die er ausstieß. Etwa 150 Millionen Tonnen Wasser wurden dabei in die Atmosphäre abgegeben. Zu welchem Anteil es sich dabei um Wasser aus dem Magma selbst, oder beispielsweise durch die Explosion mitgerissenes Meerwasser handelt ist aktuell noch nicht abschließend geklärt. Diese zusätzliche Wassermenge gelangte zunächst hauptsächlich in die Stratosphäre (normalerweise wolkenfreie Atmosphärenschicht zwischen ca. 10 und 50 km Höhe) und erhöhte die globale Gesamtwassermenge, die in dieser Atmosphärenschicht vorhanden war um etwa 10%!

Nach dem Vulkanausbruch konnte mittels Satellitenmessungen verfolgt werden, wie sich der ausgestoßene Wasserdampf über die folgenden Monate hinweg in der Stratosphäre verteilte und über die dort vorherrschenden Zirkulationsmuster und Winde von den Tropen auch in höhere Breiten transportiert wurde. Basierend auf diesen Messungen, sowie auf Modellsimulationen wird erwartet, dass im Sommer 2024 ein Teil dieses Wasserdampfes bis in die hohe Mesosphäre der hohen nördlichen Breiten gelangt – mit anderen Worten an den Ort an dem in den Monaten Mai bis August leuchtende Nachtwolken (NLCs) entstehen. Mehr Wasserdampf kann zu einer verstärkten Bildung der Eiskristalle führen, aus denen die Wolken bestehen. Die Folge kann ein häufigeres Auftreten und intensiver leuchtende NLCs sein.

Fazit

Die NLC-Saison 2024 kann also zu einem besonderen und vielleicht nicht so bald wiederkehrenden Ereignis werden. Wenn Sie in diesem Sommer einmal zur Dämmerung wach sind, dann schauen sie doch mal zum nördlichen Horizont. Vielleicht haben Sie ja Glück und erhaschen einen Blick auf die mit Abstand höchsten Wolken der Erdatmosphäre.

Weiterführende Literatur (in englischer Sprache)

Nedoluha, G. E., Gomez, R. M., Boyd, I., Neal, H., Allen, D. R., & Lambert, A. (2024). The spread of the Hunga Tonga H2O plume in the middle atmosphere over the first two years since eruption. Journal of Geophysical Research: Atmospheres, 129, e2024JD040907. https://doi.org/10.1029/2024JD040907

Niemeier, U., Wallis, S., Timmreck, C., van Pham, T., & von Savigny, C. (2023). How the Hunga Tonga-Hunga Ha'apai water vapor cloud impacts its transport through the stratosphere: Dynamical and radiative effects, Geophysical Research Letters, 50, e2023GL106482. https://doi.org/10.1029/2023GL106482

von Savigny, C., G. Baumgarten, and F.-J. Lübken, Noctilucent clouds: general properties and remote sensing, book chapter for Springer book Physics and Chemistry of the Arctic Atmospherehttps://www.springer.com/gp/book/9783030335656, chapter 8, Springer, 2020.